Die Wurzeln der Diakonie reichen bis ins Neue Testament. Dort wird der Begriff „diakonia“ – Dienst – für tätige Nächstenliebe verwendet: für den Dienst am Nächsten, besonders an Armen, Kranken und Ausgegrenzten. Dieses Verständnis prägte die Kirche durch die Jahrhunderte, blieb jedoch lange Zeit vor allem Aufgabe einzelner Klöster, Stiftungen und ehrenamtlicher Gruppen.
Erst im 19. Jahrhundert entwickelte sich aus dieser Tradition eine organisierte diakonische Bewegung. In einer Zeit tiefgreifender gesellschaftlicher Umbrüche – Industrialisierung, Urbanisierung, Massenarmut – erkannten evangelische Christen, dass neue Formen sozialer Hilfe notwendig waren. 1848 gründete Theodor Fliedner in Kaiserswerth die erste Diakonissenanstalt, die Pflegekräfte und Sozialarbeiterinnen ausbildete. Johann Hinrich Wichern rief die „Innere Mission“ ins Leben, die sich um Gefangene, Waisen, Obdachlose und andere Bedürftige kümmerte.
Auch in Bayern entstanden im 19. Jahrhundert zahlreiche Einrichtungen nach diesem Vorbild. In Nürnberg, Bayreuth, Augsburg oder Regensburg gründeten evangelische Gemeinden und Privatinitiativen Waisenhäuser, Krankenanstalten und Armenpflegen. Die bayerische Diakonie wuchs unter besonderen Bedingungen: In einem überwiegend katholischen Land war sie eine Minderheitseinrichtung, die aber gerade dadurch ein starkes Profil entwickelte.
Im 20. Jahrhundert wurde die Diakonie zunehmend professionalisiert. Nach dem Ersten Weltkrieg standen Versorgung von Kriegsversehrten, Waisen und Hungernden im Vordergrund. Die Zeit des Nationalsozialismus brachte schwere Herausforderungen: Viele diakonische Einrichtungen wurden gleichgeschaltet, manche stellten ihre Arbeit ein, andere passten sich an, um ihr Fortbestehen zu sichern – nicht ohne Konflikte mit dem Regime.
Nach 1945 begann ein intensiver Wiederaufbau. In Bayern wie im übrigen Deutschland entstanden neue diakonische Strukturen, um den Flüchtlingen und Vertriebenen, Kriegswaisen, Alten und Kranken zu helfen. Die Diakonie professionalisierte ihre Arbeit weiter, baute Beratungsstellen, Pflegeheime und Behinderteneinrichtungen aus und entwickelte neue Angebote für Suchtkranke, Obdachlose und Menschen in seelischen Krisen.
In den 1970er- und 1980er-Jahren rückten gesellschaftspolitische Themen stärker in den Vordergrund: die Rechte von Menschen mit Behinderungen, die Integration von Migranten, die Bekämpfung von Armut und Arbeitslosigkeit. Die Diakonie wurde zu einer wichtigen Stimme in der Sozialpolitik und verstand sich nicht mehr nur als Helferin, sondern auch als Anwältin der Benachteiligten.
Heute ist die Diakonie in Bayern – und auch speziell in der Oberpfalz – ein moderner, flächendeckender Wohlfahrtsverband. Sie verbindet die biblische Tradition tätiger Nächstenliebe mit den Anforderungen einer komplexen, pluralen Gesellschaft. Vom Neuen Testament bis ins 21. Jahrhundert hat sich ihre Rolle gewandelt – geblieben ist der Kern: den Menschen in seiner Würde zu achten und zu unterstützen, wo er Hilfe braucht.